Am 07. Mai 2025 wurde in Georgsmarienhütte die Erinnerungskultur im Landkreis Osnabrück um ein Mahnmal gegen das Vergessen erweitert. Es erinnert an die beiden ehemaligen Zwangsarbeiter Iwan Kowal aus der Ukraine und Stanislaw Gontek aus Polen, die nach Deutschland verschleppt worden waren und auf einem Bauernhof in Kloster Oesede arbeiten mussten. Am 16. April 1945, nur 12 Tage nach ihrer Befreiung durch die Alliierten, wurden sie am Rande des Wellendorfer Friedhofs von Anwohnern erschossen. Die Tat ist sehr lange beschwiegen worden, der Weg zur Erinnerung war lang. Durch die Bemühungen einer privaten Initiative in Zusammenwirken mit den Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht konnte das Anliegen realisiert werden, ein sichtbares Gedenkzeichen zu schaffen. Diese nun der Öffentlichkeit präsentierte Skulptur des Künstlers Przemyslaw Martyna sowie diese ergänzende Website zeichnet den Weg der Annäherung an die Tat und ihr Nachgeschehen nach.
Für die Gestaltung des Gedenkzeichens lief Ende 2024 ein Wettbewerb für ein entsprechendes Kunstprojekt; der Auftrag wurde nach einer Juryentscheidung im November 2024 an den Wiesbadener Künstler Przemyslaw Martyna vergeben. Bei seinem Kunstobjekt „Die letzten Schritte“ handelt es sich um eine 84 cm hohe und 1,46 m breite Treppe aus Granitstein, die als Symbol der Erinnerung und Mahnung fungiert. Damit wird ein Ort geschaffen, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet und die Verantwortung von uns als Gesellschaft ins Bewusstsein ruft.
Das Mahnmal besteht aus einer siebenstufigen Treppe, die ansteigt und abrupt endet. Jede beschriftete Stufe repräsentiert einen zentralen Abschnitt im Leben der beiden Opfer, deren Schicksal ein Symbol für das Leiden vieler ist. Die Ausrichtung der Treppe gen Sonne symbolisiert die Hoffnung und das Streben nach Freiheit, die Iwan Kowal und Stanislaw Gontek verwehrt blieb. Das abrupte Ende der Treppe verdeutlicht das gewaltsame Ende ihres Lebens.
Auf der Rückseite der Skulptur befindet sich eine Informationstafel.
Schritt 1: Iwan Kowal, Ukraine – Stanislaw Gontek, Polen
Iwan und Stanislaw stammten aus der Ukraine und Polen. Ihre Heimat und Identität wurde ihnen gewaltsam genommen.
Schritt 2: Verschleppt – Der Weg ins Ungewisse
Gegen ihren Willen wurden sie nach Deutschland gebracht. Dort sollten sie unter Zwang für fremde Interessen arbeiten.
Schritt 3: Zwangsarbeit auf dem Hof in Kloster Oesede
In Kloster Oesede verrichteten sie schwere Arbeit auf einem Bauernhof. Die Lebensbedingungen waren hart und unmenschlich.
Schritt 4: 4. April 1945 – Befreit von der Fremdherrschaft
Am 4. April befreiten die Alliierten die Region Osnabrück. Für einen Moment keimte die Hoffnung auf ein neues Leben auf.
Schritt 5: 16. April 1945 – Der letzte Weg
Zwölf Tage nach ihrer Befreiung wurden sie aus Kloster Oesede abgeführt. Dies war der letzte Weg, den sie gehen mussten.
Schritt 6: Wellendorf, nahe dem Friedhof – Die Tat
In der Nähe des Friedhofs in Wellendorf fanden die beiden ehemaligen Zwangsarbeiter ihr gewaltsames Ende. Sie wurden ohne Grund und ohne Gnade ermordet.
Schritt 7: Langes Schweigen – Erinnerung erwacht
Über die Tat herrschte lange Zeit Schweigen. Erst Jahrzehnte später begann das öffentliche Erinnern.
Nach vielen Jahrzehnten des Beschweigens brachte der Osnabrücker Historiker Dr. Volker Issmer den Fall im Jahr 2001 wieder in die Medien, im April erschien ein Artikel in der NOZ mit dem Titel „Rückblick: Leichen lagen zwei Wochen im Bombentrichter“. Zwanzig Jahre später brachte ein bürgerschaftlicher Initiativkreis die Bemühungen für ein würdiges Gedenken ins Rollen und bezog hierfür die wissenschaftliche Expertise der Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht mit ein. Im Januar 2022 wandten sich die Gedenkstätten zur Entwicklung eines angemessenen Gedenkens mit der Bitte um Unterstützung und Mitwirkung an Öffentlichkeit und Politik. Es folgten mehrere Informationsveranstaltungen in Kloster Oesede und ein Workshop in der Gedenkstätte Augustaschacht. Ergebnis dieses Beteiligungsprozesses war u. a. der Beschluss vom Rat der Stadt Georgsmarienhütte, das Gedenkobjekt für die Tötung der beiden Zwangsarbeiter zu finanzieren und damit außerdem ein Zeichen gegen Kriege, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit als Ursache für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu setzen.
Am 16. April fand zur Erinnerung an die beiden ermordeten ehemaligen Zwangsarbeiter Stanislaw Gontek und Iwan Kowal eine erste offizielle Gedenkfeier auf dem Friedhof in Kloster Oesede statt. Es sprachen Georg Hörnschemeyer (Vorsitzender des Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht e. V.), Dagmar Bahlo (Bürgermeisterin der Stadt Georgsmarienhütte) sowie Dr. Eberhard Schröder (Initiativkreis zur Aufarbeitung der beiden Morde). Die Redebeiträge können hier heruntergeladen werden.