Auf der Berningshöhe befand sich von 1942 bis 1945 ein Lager für Zwangsarbeiter in der Stadt Osnabrück. 1943 wurde auf dem Gelände zudem ein sog. „Entbindungsheim für schwanger gewordene Ausländerinnen“ eingerichtet. In dieser Geburtenbaracke wurden 312 Kinder geboren, von denen 42 unmittelbar nach der Geburt starben. Für die hier geborenen und gestorbenen Kinder, ihre Mütter, die Überlebenden und ihre Angehörigen, aber auch für die Nachbarschaft möchte dieser Ort ein Platz des Erinnerns sein.
Während des Zweiten Weltkrieges verschleppte die deutsche Besatzungsmacht ca. 13,5 Mio. Menschen als Zwangsarbeiter:innen aus den eroberten Gebieten in das Deutsche Reich. Sie sollten die Kriegswirtschaft und Versorgung der deutschen Bevölkerung aufrechterhalten. Diese Menschen waren Bürger:innen der ehemaligen Sowjetunion (in der nationalsozialistischen Sprache undifferenziert als „Russen“ bezeichnet) und Polens, stammten aber auch aus Frankreich und den Niederlanden. In Osnabrück arbeiteten im Januar 1945 ca. 10.000 Zwangsarbeiter:innen. Somit leistete jede/r dritte Beschäftigte in der Stadt Zwangsarbeit. Untergebracht waren diese Männer und Frauen (z.T. mit ihren Kindern) in über hundert Lagern in Osnabrück.
Das sog. „Gemeinschaftslager Süd III“ wurde 1942 auf dem Gelände des heutigen Wilhelm-Mentrup-Wegs westlich des Hauswörmannswegserrichtet. Zeitweise lebten hier bis zu tausend sog. „Fremdarbeiter“ oder „Ostarbeiter“. Das Lager war nicht wie andere Lager in Osnabrück an ein Werk angebunden; die hier untergebrachten Menschen leisteten Zwangsarbeit bei kriegswichtigen Unternehmen. Sie wurden aber ebenso in Privathaushalten und bei Räumarbeiten nach den alliierten Luftangriffen eingesetzt. Auch die zwei Bunker am Bröckerweg, in denen Zwangsarbeiter:innen selbst keinen Schutz suchen durften, wurden von diesen errichtet.
Teil des „Gemeinschaftslagers Süd III“ war seit 1943 das einzige bisher nachgewiesene sog. „Entbindungsheim für schwanger gewordene Ausländerinnen“im Raum Osnabrück: Schwangere Zwangsarbeiterinnen kamen aus Stadt und Umkreis in das „Lager Fernblick“, um mit Hilfe einer deutschen Hebamme ihre Kinder zur Welt zu bringen. Nach der Geburt mussten die Mütter mit ihren Kindern zu ihren Arbeitsstätten zurückkehren. Bis 1945 wurden auf der Berningshöhe 312 Kinder geboren. 42 Neugeborene verstarben hier direkt nach der Geburt, 37 weitere in den Stammlagern ihrer Mütter oder an deren Arbeitsstätten. Als Todesursache wurden auf den Karteikarten des Standesamtes Osnabrück „Herzkrämpfe“ oder „Lebensschwäche“ angegeben. Der Zwillingsbrüder Jann und Bolek Chocha, die im „Lager Fernblick“ in der Entbindungsbaracke geboren wurden und wenige Tage darauf gestorben sind, möchten wir an diesem Ort stellvertretend für alle Kinder gedenken.
Die Geschichte des Lagers endete nicht mit der Befreiung durch die britische Armee im April 1945: Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten im Deutschen Reich über 9 Millionen Menschen versorgt und betreut werden. Dabei handelte es sich um Opfer von NS-Gewaltverbrechen, von Deportation und Verschleppung. In Osnabrück wurde vor allem Wohnraum für ehemalige Zwangsarbeiter:innen aus Polen benötigt, die aus politischen Gründen nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten oder wollten. Diese Menschen wurden bis 1948 auf dem Gelände des ehemaligen „Gemeinschaftslagers Süd III“ (nun „Camp Fernblick 267“) und in umliegenden Wohnhäusern untergebracht, die auf Anordnung der britischen Miltärregierung zuvor verlassen werden mussten. Im Anschluss diente das ehemalige NS-Lager als Unterkunft für Heimatvertriebene und Geflüchtete, später für Osnabrücker Sinti. Erst 1962 wurde das Lager endgültig aufgelöst.
Quellen:
Michael Gander: Lagerwesen und Zwangsarbeit in Osnabrück: Die Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkrieges, in: Topografien des Terrors. Nationalsozialismus in Osnabrück, hrsg. von Thorsten Heese, Osnabrück 2015, S. 325-352.
Volker Issmer: „Entbindungsheim für schwanger gewordene Ausländerinnen“ im Osnabrücker Lager „Fernblick“ – ein Zwischenbericht, in: Topografien des Terrors (s.o.), S. 353-355.
Lukas Hennies u.a.: Gewaltinduzierte Mobilität und ihre Folgen: Displaced Persons in Osnabrück und die Flüchtlingskrise nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Osnabrücker Mitteilungen 123 (2018), S. 183-231.